Anspruch auf Nutzungsausfall auch ohne Ersatzbeschaffung

Immer wieder beschäftigt in der Unfallregulierung die Gerichte die Frage, ob Nutzungsausfall auch ohne Ersatzbeschaffung eines „neuen“ Fahrzeuges durch den Schädiger zu ersetzen ist. Monoton trägt die Versicherungsseite immer wieder vor, dass dies so sei. Indes findet sich, obwohl die Amtsgerichte in der Mehrzahl ebenfalls gegen die Unfall-Geschädigten entscheiden, hierfür die gesetzliche Grundlage nicht.

Die Voraussetzungen für den Ersatz von Nutzungsausfall sind der Verlust der Nutzungsmöglichkeit bei gleichzeitig gegebenem Nutzungswillen. Die persönliche Möglichkeit der Nutzung darf nicht ausgeschlossen sein, z.B. durch schwere Unfallverletzungen.

Einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 10.06.2008 (Az.: VI ZR 248/07) sind die Kriterien für die Zuerkennung von Nutzungsausfall zu entnehmen, auch wenn in dem zugrundeliegenden Fall der Anspruch nicht zuerkannt wurde, da neben dem beschädigten (Freizeit-) Wohnmobil unproblematisch ein anderes Fahrzeug dem Geschädigten zur Verfügung stand.

Der Nutzungswille ist regelmäßig schon durch die Nutzung des KfZ im Zeitpunkt des Unfalles bestätigt. Ohne Nutzungswillen wäre der Geschädigte ja gar nicht „nutzend“ in den Unfall verwickelt worden. Auch kann durch das Verhalten des Geschädigten nach dem Unfall der Nutzungswille dokumentiert werden, wenn der Geschädigte z.B. sich Fahrzeuge von Familienmitgliedern oder Dritten ausleiht, mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt oder sonst nachvollziehbar behilft. Denn: Freiwillige Leistungen Dritter entlasten den Schädiger nicht, was der BGH schon mit seiner Entscheidung vom 17.03.1970 (Az.: VI ZR 108/68) bereits feststellte.

Das AG Kiel hat mit aktuellem Urteil vom 21.05.2021 (Az.: 107 C 19/21) die Rechtsprechung des BGH zum Nutzungsausfall auch ohne weiteren Nachweis bestätigt.

So hat das LG Kaiserslautern in seiner Entscheidung vom 14.06.2013 (Az.: 3 O 837/12) entschieden, dass Nutzungsausfall auch ohne Nachweis einer Ersatzbeschaffung zu ersetzen ist.

Das OLG Düsseldorf entschied in seinem Urteil vom 26.04.04 (I-1 U 177/03):
Der hypothetische Nutzungswille jedenfalls des privaten Halters bzw. Eigentümers ist grundsätzlich zu vermuten.“

Das LG Karlsruhe entschied mit Urteil vom 09.05.05 (5 S 161/04):
„Die Tatsache, dass der Kläger zum zeitpunkt des Unfalls über ein Fahrzeug verfügte, beweist bereits, dass er einen grundsätzlichen Nutzungswillen hatte.“

Das KG Berlin formuliert in seinem Urteil vom 01.03.2004 (12 U 96/03):
„Der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung setzt nicht die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs voraus.“

Die Erfahrung spricht für den Nutzungswillen, wäre der Unfall nicht eingetreten (so OLG Celle VersR 1973, 717; OLG Frankfurt a.M. DAR 1984, 318).

Ähnlich begründete das LG Braunschweig sein Urteil vom 19.08.2005 – 8 S 385/05 39:
„Aus den Gründen:
…Die Nutzungsausfallentschädigung soll die Vermögenseinbuße ausgleichen, die dem Verletzten durch den unfallbedingten Verzicht auf die Verfügbarkeit über sein Unfallfahrzeug entstanden ist. Ein solcher unfallbedingter Verzicht liegt auch dann vor, wenn kein Ersatzfahrzeug angeschafft und keine Reparatur durchgeführt wurde. Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben, dies spricht jedoch nicht gegen eine generelle Nutzungsmöglichkeit und einen Nutzungswillen des Verletzten. Die Tatsache, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls über ein Fahrzeug verfügte, beweist bereits, dass er einen grundsätzlichen Nutzungswillen hatte…

Der Nutzungsausfall bezieht sich auf das beschädigte Fahrzeug. Die Beeinträchtigung des Geschädigten muss fühlbar sein. Hat er z.B. ein zweites Fahrzeug, steht ihm kein Nutzungsausfall zu.