Kein Anspruch auf halbe Urlaubstage

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) entschied aktuell die Frage, ob Arbeitnehmer einen durchsetzbaren Anspruch auf halbe/anteilige Urlaubstage gegenüber dem Arbeitgeber haben. Es hat einen solchen Anspruch jedenfalls für den gesetzlichen Mindesturlaub verneint, LAG, Urteil vom 6.3.2019, 4 Sa 73/18

Die Leitsätze des Urteiles lauten:

1. Der Urlaub ist gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG zusammenhängend zu gewähren. Jedenfalls ein Urlaubswunsch, der auf eine Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in Kleinstraten gerichtet ist, muss nicht erfüllt werden. Eine solche Urlaubsgewährung wäre nicht geeignet, die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers zu erfüllen.

2. Das BUrlG kennt keinen Rechtsanspruch auf halbe Urlaubstage oder sonstige Bruchteile von Urlaubstagen.

3. Von obigen Grundsätzen kann für die Urlaubsansprüche, die den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigen, durch vertragliche Vereinbarung abgewichen werden.

Die Entscheidung steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), welches vom Erfordernis einer einheitlichen Urlaubszeit und von fehlenden Auf- und Abrundungsmöglichkeiten ausgeht: BAG, Ur­teil vom 23.01.2018, 9 AZR 200/17.

Das Gesetz sieht in § 7 Abs.2 Satz 1 BUrlG vor, dass Urlaub so zu legen ist, dass mindestens 12 aufeinanderfolgende Werktage (= 2 Wochen) zusammenhängender Urlaub zu nehmen ist.

Folgerichtig begründet das LAG seine Entscheidung für den Arbeitnehmer abschlägig:

„Jedenfalls ausgehend von der gesetzgeberischen Grundwertung, dass der Urlaub Erholungszwecken zu dienen hat (BAG 29. Juli 1965 – 5 AZR 380/64 -), kann selbst auf Wunsch des Arbeitnehmers eine Zerstückelung und Atomisierung des Urlaubs in viele kleine Einheiten nicht gefordert werden (Arnold in Arnold/Tillmanns BUrlG 3. Aufl. § 7 Rn. 74; Neumann in Neumann/Fenski/Kühn BUrlG 11. Aufl. § 7 Rn. 62). Eine solche Urlaubsgewährung in Kleinstraten wäre vielmehr keine ordnungsgemäße Erfüllung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers.“

Voraussetzungen für den Handyverstoß nach § 23 Abs. 1a StVO

Ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO n.F. setzt voraus, dass der Fahrzeugführer eines der dort genannten elektronischen Geräte benutzt und es hierfür aufnimmt oder hält.

OLG Stuttgart Beschluss vom 3.1.2019, 2 Rb 24 Ss 1269/18

Ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO n.F. setzt – wie nach alter Rechtslage bis zu der durch die 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 6. Oktober 2017 mit Wirkung vom 19. Oktober 2017 in Kraft getretenen Änderung des § 23 Abs. 1a StVO – nach wie vor voraus, dass der Fahrzeugführer ein Mobiltelefon oder nunmehr aufgrund der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO ein anderes elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, benutzt und es hierfür aufnimmt oder hält.

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Gebrauchtwagenkauf und Gewährleistung – Verkürzung der Verjährung auf 1 Jahr ist unzulässig, EuGH C-133/16

Im deutschen Gewährleistungsrecht findet sich die vielfach praktizierte Regelung, wonach die Verjährung der gesetzlichen Gewährleistung des gewerblichen Verkäufers eines gebrauchten KfZ (oder einer anderen gebrauchten Sache) gegenüber einem privaten Käufer auf 1 Jahr begrenzt werden darf. Diese Verkürzung der Verjährung ist unzulässig

Diese Regelung ist nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, C-133/16) in dieser Form unwirksam, da das deutsche Recht – und dementsprechend die überwiegende Zahl der AGB von Verkäufern – zwei Begrifflichkeiten „unsauber“ in dem Begriff der Verjährung zusammengefasst hat.

Der EuGH unterscheidet jedoch genau zwischen der Haftungsfrist und der Verjährungsfrist. Die Haftungsfrist darf auf ein Jahr begrenzt werden, die Verjährungsfrist nicht.

Für den Verbraucher bedeutet dies, dass Mängel, die innerhalb der Haftungsfrist auftreten auch noch später, bis zum Ablauf von 2 Jahren, gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht werden können.

Innerhalb der Haftungsfrist gibt es noch die Besonderheit, dass innerhalb der ersten 6 Monate nach Übergabe des Fahrzeuges eine sog. Beweislastumkehr zugunsten des Käufers besteht. Tritt der Mangel in dieser Zeit auf, wird vermutet, dass er bereits bei der Übergabe des Fahrzeuges vorhanden war. Tritt ein Mangel auf, solltes dieser deshalb immer unverzüglich beim Verkäufer angezeigt werden.

Zugang einer fristlosen Kündigung im Urlaub

Urteil des BAG vom 22.03.2012 – 2 AZR 244/11
Der Arbeitnehmer befindet sich im gewährten Urlaub vom 12.06. bis 27.06.2009. Am 25.06.2009 stellt ihm der Arbeitgeber um 13:00 Uhr an seiner Heimatanschrift eine außerordentliche (also fristlose) Kündigung zu. Dagegen erhebt der Arbeitnehmer am 17.07.2009 (also nach Ablauf der 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG) Kündigungsschutzklage, verbunden mit einem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung, dies mit der Begründung, die Kündigung sei im Rechtssinn ihm nicht am 25.06.2009 zugegangen, weil der Arbeitgeber gewusst habe, dass der Arbeitnehmer sich im Erholungsurlaub befinde.

Das Bundesarbeitsgericht hat diese Rechtsauffassung nicht geteilt und die Klage für unbegründet erklärt. Es hält in ständiger Rechtsprechung daran fest, dass ein um 13:00 Uhr in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers eingeworfenes Kündigungsschreiben diesem trotz seiner Urlaubsabwesenheit noch am selben Tag zugegangen sei (§ 130 BGB). Eine verkörperte Willenserklärung – wie ein Brief – gehe dem Empfänger dann zu, wenn sie verkehrsüblicher Weise in seine tatsächliche Verfügungsgewalt gelangt sei und unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit bestehe, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen. Der Einwurf in den Hausbriefkasten bewirke also den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen sei. Dabei sei es unerheblich, ob und wann der Empfänger die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis nimmt und ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder Urlaub gehindert sei. Dies gelte selbst dann, wenn dem Arbeitgeber die urlaubsbedingte Ortsabwesenheit bekannt ist.

Das Bundesarbeitgericht hat auch verworfen den Gesichtspunkt, dass ein treuwidriges Verhalten vorliegen könnte, wenn dem Arbeitgeber diese Umstände bekannt seien.

Streitentscheidend war im konkreten Fall die Uhrzeit des Einwurfs. Das Gericht hat eine Auskunft der Post eingeholt, wann regelmäßig mit einer Briefzustellung zu rechnen sei. Ergebnis war, dass im Wohngebiet des Arbeitnehmers am Nachmittag tatsächlich noch mit Zustellungen zu rechnen sei. Es müsse deshalb davon ausgegangen werden, dass die Briefzustellung jedenfalls nicht regelmäßig vor 13:00 Uhr beendet sei. Somit war mit einer Kenntnisnahme des Schreibens durch den Arbeitnehmer bei einem Einwurf um 13:00 Uhr noch am selben Tag zu rechnen.

Es gilt also zweierlei:

1. Der Arbeitgeber darf kündigen, während der Arbeitnehmer sich im Urlaub befindet.

2. Bei einer fristlosen Kündigung ist für den Arbeitgeber Eile geboten, weil die 2-Wochen-Frist des § 626 BGB greift (wenn der Arbeitgeber von dem Kündigungsgrund der fristlosen Kündigung Kenntnis erlangt, muss er die Kündigung erklären und zugehen lassen innerhalb von zwei Wochen). Da kann leicht in Fällen des Urlaubs ein Problem auftauchen dahingehend, ob der Arbeitgeber dann – wenn er von der Abwesenheit des Arbeitnehmers weiß – trotzdem die Kündigung zur „Rettung“ der 2-Wochen-Frist zugehen lassen kann. Das Bundesarbeitsgericht bejaht diese Frage ausdrücklich und hält insoweit an einer langjährigen Rechtsprechung fest.

3. Die Kündigung muss so in den Briefkasten eingeworfen werden, dass ein Nachweis möglich ist. Dies geschieht am Besten durch Boten oder durch Einwurfeinschreiben; nicht jedoch durch Einschreiben mit Rückschein. Dieser gilt erst als zugegangen, wenn er vom Arbeitnehmer abgenommen wird (also durch Übergabe seitens des Briefträgers) oder aber auf der Post im Falle der Abwesenheit abgeholt wird. Wenn der Arbeitnehmer den Einschreibebrief niemals abholt, geht er auch nicht zu, weil der Brief dann nach Ablauf der Liegefrist an den Absender (Arbeitgeber) zurückgeschickt wird. Bis dahin ist in jedem Fall die 2-Wochen-Frist abgelaufen.

4. Der Bote muss zeugentauglich sein. Dies bedeutet, dass er nicht wegen Falschaussage vor Gericht vorbestraft sein sollte. Er sollte vor allem auch den Text des Schreibens gelesen und verstanden haben, weil er nicht etwa nur vor Gericht dann bestätigen können sollte, dass er gesehen hat, wie der Chef einen weißen Umschlag in den Briefkasten geworfen hat und er nicht angeben kann, was Inhalt dieses Briefes gewesen war. Im Übrigen ist der Arbeitgeber selbst oder der Geschäftsführer einer GmbH selbstverständlich nicht Zeuge und damit auch als Bote des Briefes untauglich.

5. Auch über die Tageszeit des Briefeinwurfs sollte man sich Gedanken machen. Der Einwurf auf dem Weg nach Hause ist jedenfalls für diesen Tag gerechnet zu spät. Man solle sich nicht länger als bis zur Mittagszeit Zeit lassen, wenn es auf den konkreten Tag ankommt, da später eingeworfene Briefe als am Folgetag erst zugegangen gelten werden.

Wie man sieht, kann man auch beim Zugang einer Kündigung (nicht nur beim Inhalt) viel falsch machen. Die Beratungskosten bei einem Rechtsanwalt stehen in keinem Verhältnis zu den finanziellen Folgen einer Kündigung, die schon an den Formalien scheitert.

Androhung der Arbeitgeberkündigung löst Versicherungsfall in der Rechtschutzversicherung aus

Der BGH hat zugunsten von Versicherungsnehmern in der Rechtsschutzversicherung nunmehr klargestellt, dass 1.) die Androhung einer betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber für den Fall der 2.) Ablehnung eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitnehmer einen Rechtsschutzfall auslöst.

Durch diese Entscheidung ist ein jahrelanger Streit der verschiedenen Gerichte nun weitgehend beendet. Da sich die Allgemeinen Rechtschutzbedingungen (ARB) seit 1975 in diesem Punkt nicht unterscheiden, hat die Entscheidung für alle seitdem geschlossenen Verträge Wirkung. (BGH, Urteil vom 19.11.2008, IV ZR 305/07).

Anspruch auf Nutzungsausfall auch ohne Ersatzbeschaffung

Immer wieder beschäftigt in der Unfallregulierung die Gerichte die Frage, ob Nutzungsausfall auch ohne Ersatzbeschaffung eines „neuen“ Fahrzeuges durch den Schädiger zu ersetzen ist. Monoton trägt die Versicherungsseite immer wieder vor, dass dies so sei. Indes findet sich, obwohl die Amtsgerichte in der Mehrzahl ebenfalls gegen die Unfall-Geschädigten entscheiden, hierfür die gesetzliche Grundlage nicht.

Die Voraussetzungen für den Ersatz von Nutzungsausfall sind der Verlust der Nutzungsmöglichkeit bei gleichzeitig gegebenem Nutzungswillen. Die persönliche Möglichkeit der Nutzung darf nicht ausgeschlossen sein, z.B. durch schwere Unfallverletzungen.

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