Cannabiskonsum: Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens

Entscheidung des VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.07.2020 (13 S 1800/21)

Die Entscheidung

Auch ein wiederholter Verstoß gegen das Trennungsgebot genügt für sich genommen regelmäßig nicht, um ohne weitere Sachverhaltsaufklärung von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen.

Der Antragssteller im vorliegenden Verfahren begehrte vorläufigen Rechtschutz gegen die Aberkennung des Rechts, von seiner EU-Fahrerlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. Die Situation ist vergleichbar mit einem Inhaber einer Deutschen Fahrerlaubnis, wenn es um die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Cannabis-Konsums geht.

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E-Scooter und Alkohol – Variante 2

Die Problematik von Fahrten mit einem E-Scooter unter Alkoholeinfluss beschäftigt zunehmend die Gerichte.

Die Entscheidung

Das Amtsgericht München und in der Folge das BayOLG München haben entschieden, dass Fahrten mit einem E-Scooter unter Alkoholeinfluss gleich zu behandeln sind wie Fahrten mit allen anderen Kraftfahrzeugen auch. Der E-Scooter sei nicht mit einem Fahrrad zu vergleichen sondern sei ein Kraftfahrzeug. Bei einer BAK von 1,35 Promille kam es also für den Fahrer zur Anwendung derjenigen Grundsätze wie sie für alle anderen Kraftfahrzeuge gleichermaßen gelten. Die Folge: Geldstrafe und Entziehung der Fahrerlaubnis, zusätzlich noch ein dreimonatiges Fahrverbot für erlaubnisfreie Kraftfahrzeuge (BayOLG München, Beschluss v. 24.07.2020 – 205 StRR 216/20).

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Fahrerlaubnisentziehung und Epilepsie

Aktuell entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz, dass einem an Epilepsie erkrankten Inhaber einer Fahrerlaubnis diese entzogen werden darf, wenn er nicht nachweisen kann, über einen Mindestzeitraum von einem Jahr anfallsfrei gewesen zu sein, VG Mainz, Beschluss vom 22.11.2019, 3 L 1067/19.MZ.

In einer Stellungnahme gegenüber dem Gesundheitsamt hatte der Fahrerlaubnisinhaber angegeben, etwa ein Mal im Monat Krampfanfälle zu erleiden.

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Die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU)

Was ist die MPU?

Die MPU muss in der Regel derjenige absolvieren, der seine Fahrerlaubnis wieder (oder in besonderen Fällen erstmalig) erhalten möchte. Sie dient dazu, die Fahreignung nachzuweisen, welche bei Fahranfängern in der Regel als gegeben vermutet wird.

Die MPU besteht in der Regel im Wesentlichen aus drei Teilen:

  1. Medizinische Untersuchung (inkl. erneutes Screening)
  2. Psychologisches Gespräch
  3. Reaktions-/Wahrnehmungs-/Leistungstest am Computer

Die mitgebrachten Unterlagen werden am Untersuchungstag abgegeben und der weitere Ablauf wird zu Beginn festgelegt. Die eigentliche MPU dauert ca. 2-3 Stunden. Zumeist müssen zu Beginn Fragebögen ausgefüllt werden. Dann werden die verschiedenen Stationen durchlaufen.

Die MPU muss übrigens nicht am eigenen Wohnort absolviert werden. Sie kann bei jeder beliebigen MPU-Stelle in Deutschland stattfinden. Die Führerscheinstelle hat keinen Einfluss auf Ihre Wahl. Eine Liste möglicher Stellen finden Sie hier bei der BASt.

Hauptgründe für eine MPU

Die MPU muss in der Regel dann durchgeführt werden, wenn ein schwerwiegender Verkehrsverstoß die Fahreignung in Frage stellt. Dies sind in der Regel

  • Alkoholfahrten mit einmalig 1,6 Promille oder mehr
  • mehrfache Alkoholfahrten
  • Fahrten unter Drogeneinfluss
  • Konsum harter Drogen außerhalb des Strassenverkehrs
  • Überschreiten der Punktegrenze im FAER = 8 Punkte oder mehr
  • Straftaten, welche unter ergeblichem Alkoholeinfluss begangen wurden

Die MPU soll klären, was genau und warum zur Fahrerlaubnisentziehung geführt hat. Zudem soll überprüft werden, wann und warum eine Verhaltensänderung stattgefunden hat und wie in Zukunft das geänderte Verhalten sichergestellt werden kann.

Der richtige Zeitpunkt für die MPU

Es stellt sich die Frage, wann frühestmöglich die MPU absolviert werden sollte. Erst nach der erfolgreichen Feststellung der Fahreignung durch die MPU kann durch die Führerscheinstelle die Fahrerlaubnis wieder erteilt werden. Frühestens 4 Monate vor Ablauf einer strafrechtlich verhängten Sperrfrist kann der Antrag bei der Führerscheinstelle gestellt werden. Zum Zeitpunkt der MPU muss allerdings der zumeist erforderliche Abstinenznachweis erbracht sein. Dieser bedingt daher eine Zeitspanne von zumeist 1 Jahr ab Beginn des Abstinenzprogramms.

Eine eigentliche Frist gibt es nicht – die MPU kann auch noch nach Jahren absolviert werden.

Die Kosten der MPU

Wer eine MPU zu absolvieren hat, interessiert sich auch für die Kosten. Diese waren bis 2018 im wesentlichen vorgegeben. Seither dürfen die Preise frei bestimmt werden und bewegen sich, auch abhängig vom Umfang, zwischen ca. € 600,– und € 1.000,–.

Die zusätzlichen Kosten für Screenings

Wer einen Abstinenznachweis erbringen muss, benötigt 4-6 Screenings. Die angebenen Urinproben müssen von qualifizierten Stellen in forensischer Form erhoben und verarbeitet werden. Die Kosten für Urinscreenings liegen in der Regel zwischen € 75,– und € 125,– pro screening.

Es kann sich in manchen Fällen auch anbieten, eine Haaranalyse zu beauftragen, häufig im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Drogenkonsums. Eine Haaranalyse kostet in der Regel zwischen € 200,– und € 300,–.

Die weitere Vorbereitung – weitere Kosten

Es bietet sich in der Regel an, sich auf eine MPU intensiv vorzubereiten. Hiezu kann es sinnvoll sein, Bücher und Ratgeber zu lesen, das eigene Umfeld kritisch zu bewerten oder sich in Foren und Selbsthilfegruppen auszutauschen.

Es gibt kostenlose Informationsveranstaltungen und kostenpflichtige Vorbereitungskurse, die zumeist einige Wochen dauern und während dieser Zeit mehrfach wöchentlich stattfinden. Die Kosten belaufen sich bei seriösen Anbietern auf ca. € 1.000,–, je nach Umfang.

Der Verkehrspsychologe

Besonders umfassend stellt sich die Hinzuziehung eines Verkehrspsychologen dar. Dieser kann mit Ihnen die Ursachen der Auffälligkeit im Strassenverkehr analysieren und diesen für die Zukunft nach Möglichkeit entgegenwirken.

Insbesondere die MPU-Anordnung wegen Erreichens von 8 Punkten (oder mehr) im FAER erfordert eine gründliche Vorbereitung. Die Auseinandersetzung mit den zugrundeliegenden Delikten und deren Hintergründen muss dringend erfolgen. Nur wenn eine positive Prognose gestellt werden kann, dass sich das bisherige Fahrverhalten nicht fortsetzt, besteht Erfolgsaussicht.

Die Kosten für eine verkehrspsychologische Beratung belaufen sich auf ca. € 100,– bis € 200,– pro Sitzung und insgesamt somit auf ca. € 2.000,– oder mehr.

Erfahrungsgemäß lohnt sich die intensive Vorbereitung auf die MPU. Die „Bestehenschance“ ist statistisch mit Vorbereitung deutlich höher als ohne Vorbereitung.

Achtung vor schwarzen Schafen

Beachten Sie bitte, dass auf dem Markt diverse Anbieter unterwegs sind, die weder Ihre Interessen im Blick haben noch seriöse Leistungen anbieten. Versprechen wie z.B eine Erfolgsgarantie sind nicht zu halten.

Wenn es doch schiefgeht – die negative MPU

Es kann passieren – der Ausgang einer MPU kann negativ sein. Wenn dies passiert, gilt erst recht das zuvor Gesagte: Analyse der Gründe und Vorbereitung der nächsten MPU sind von größter Bedeutung.

Übrigens: Ein negatives Gutachten muss NICHT der Führerscheinstelle zur Kenntnis gebracht werden!

Unfallflucht – bedeutender Fremdschaden ab € 2.500 netto, LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 04.06.2018 – 5 Qs 23/18

Redaktioneller Leitsatz:
Ein bedeutender Fremdschaden im Sinne von
§ 69 Absatz 2 Nummer 3 StGB liegt unter Berücksichtigung der Entwicklung der Einkommen und Kosten für die Beseitigung der Unfallfolgen ab einem Schaden von 2.500,- € netto vor. (Rn. BECKRS Jahr 2018 Randnummer 6)

Mit dem LG Nürnberg-Fürth hat nun ein prominentes Gericht den sehr wesentlichen „Grenzwert“ für die Annahme eines „bedeutenden Fremdschadens“ nach oben gesetzt. Die Anpassung folgt der allegemeinen Preisentwicklung und stellt eine vernünftige Handhabe für die Fälle der Unfallflucht dar. Im Ergebnis wird die Entziehung der Fahrerlaubnis nun erst ab diesem Betrag die Folge einer Unfallflucht. Zu beachten ist allerdings, dass in anderen Gerichtsbezirken (noch?) niedrigere Grenzen (eher bei ca. € 1.500,– bis € 2.000,– netto gelten!

Wichtig ist es allerdings immer auch, die zugrundegelegten Schadenspositionen im Einzelnen zu überprüfen. Werden z.B. überhöhte Kosten für Arbeitszeiten geltend gemacht, sind hier ggf. Korrekturen vorzunehmen so dass die jeweils geltende Grenze noch unterschritten werden kann.

Aus den Gründen:
„Ein bedeutender Fremdschaden liegt ab einem Betrag von 2.500 Euro (netto). Die Kammer hat die Änderung von § 44 Absatz 1 StGB und damit die seit dem 24.08.2017 geschaffene Möglichkeit der Verhängung von Fahrverboten von bis zu sechs anstelle von drei Monaten zum Anlass genommen, ihre Rechtsprechung zum Begriff des bedeutenden Fremdschadens zu ändern (bisher 1.800 Euro, vgl. z.B. Beschluss v. 11.04.2008, Az. 5 Qs 61/2008). Im Hinblick auf die in § 69 Absatz 2 Nummer 3 StGB angeordnete Gleichsetzung des bedeutenden Fremdschadens mit der Tötung bzw. nicht unerheblichen Verletzung eines Menschen einerseits und der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten zehn Jahren andererseits hat die Kammer im Interesse der Rechtssicherheit eine großzügige Anpassung der Wertgrenze nach oben vorgenommen. Die Kammer hat dabei die Entwicklung der Einkommen und der Kosten für die Beseitigung der Folgen von Verkehrsunfällen berücksichtigt und sich an einer groben Schätzung der wirtschaftlichen Entwicklung orientiert.

Quelle: BeckRS 2018, 37287

Nach 17 Jahren ohne Führerschein erneute Fahrprüfung?

Wer nach 17 Jahren ohne Führerschein eine erneute Fahrerlaubnis beantragt, muss unter Umständen noch einmal eine theoretische und praktische Fahrprüfung durchlaufen.
Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt a.d.W. vom 23.05.2018 (1 K 1113/17.NW).

Dem Kläger war 1998 der Führerschein für Lkw bis 7,5 t (heute Fahrerlaubnisklasse C1) wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss entzogen worden. Er beantragte 2015 eine erneute Fahrerlaubnis für diese Fahrzeugklasse. Die Fahrerlaubnisbehörde verlangte unter anderem eine erneute theoretische und praktische Fahrprüfung.

Dagegen wehrte sich der Kläger, unterlag allerdings vor Gericht. Die Behörde fordere zurecht eine erneute Fahrerlaubnisprüfung des Mannes, so die Richter. Er habe über lange Jahre keine Berechtigung mehr besessen, Fahrzeuge der Fahrerlaubnisklasse C1 zu führen. Die Annahme sei gerechtfertigt, dass der Mann nach rund 17 Jahren ohne einschlägige Fahrpraxis mit Fahrzeugen dieser Klasse im öffentlichen Straßenverkehr die hierfür erforderlichen spezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitze.

Ob auch andere Gerichte dieser Argumentation folgen werden, bleibt abzuwarten.