Zugang einer fristlosen Kündigung im Urlaub

Urteil des BAG vom 22.03.2012 – 2 AZR 244/11
Der Arbeitnehmer befindet sich im gewährten Urlaub vom 12.06. bis 27.06.2009. Am 25.06.2009 stellt ihm der Arbeitgeber um 13:00 Uhr an seiner Heimatanschrift eine außerordentliche (also fristlose) Kündigung zu. Dagegen erhebt der Arbeitnehmer am 17.07.2009 (also nach Ablauf der 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG) Kündigungsschutzklage, verbunden mit einem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung, dies mit der Begründung, die Kündigung sei im Rechtssinn ihm nicht am 25.06.2009 zugegangen, weil der Arbeitgeber gewusst habe, dass der Arbeitnehmer sich im Erholungsurlaub befinde.

Das Bundesarbeitsgericht hat diese Rechtsauffassung nicht geteilt und die Klage für unbegründet erklärt. Es hält in ständiger Rechtsprechung daran fest, dass ein um 13:00 Uhr in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers eingeworfenes Kündigungsschreiben diesem trotz seiner Urlaubsabwesenheit noch am selben Tag zugegangen sei (§ 130 BGB). Eine verkörperte Willenserklärung – wie ein Brief – gehe dem Empfänger dann zu, wenn sie verkehrsüblicher Weise in seine tatsächliche Verfügungsgewalt gelangt sei und unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit bestehe, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen. Der Einwurf in den Hausbriefkasten bewirke also den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen sei. Dabei sei es unerheblich, ob und wann der Empfänger die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis nimmt und ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder Urlaub gehindert sei. Dies gelte selbst dann, wenn dem Arbeitgeber die urlaubsbedingte Ortsabwesenheit bekannt ist.

Das Bundesarbeitgericht hat auch verworfen den Gesichtspunkt, dass ein treuwidriges Verhalten vorliegen könnte, wenn dem Arbeitgeber diese Umstände bekannt seien.

Streitentscheidend war im konkreten Fall die Uhrzeit des Einwurfs. Das Gericht hat eine Auskunft der Post eingeholt, wann regelmäßig mit einer Briefzustellung zu rechnen sei. Ergebnis war, dass im Wohngebiet des Arbeitnehmers am Nachmittag tatsächlich noch mit Zustellungen zu rechnen sei. Es müsse deshalb davon ausgegangen werden, dass die Briefzustellung jedenfalls nicht regelmäßig vor 13:00 Uhr beendet sei. Somit war mit einer Kenntnisnahme des Schreibens durch den Arbeitnehmer bei einem Einwurf um 13:00 Uhr noch am selben Tag zu rechnen.

Es gilt also zweierlei:

1. Der Arbeitgeber darf kündigen, während der Arbeitnehmer sich im Urlaub befindet.

2. Bei einer fristlosen Kündigung ist für den Arbeitgeber Eile geboten, weil die 2-Wochen-Frist des § 626 BGB greift (wenn der Arbeitgeber von dem Kündigungsgrund der fristlosen Kündigung Kenntnis erlangt, muss er die Kündigung erklären und zugehen lassen innerhalb von zwei Wochen). Da kann leicht in Fällen des Urlaubs ein Problem auftauchen dahingehend, ob der Arbeitgeber dann – wenn er von der Abwesenheit des Arbeitnehmers weiß – trotzdem die Kündigung zur „Rettung“ der 2-Wochen-Frist zugehen lassen kann. Das Bundesarbeitsgericht bejaht diese Frage ausdrücklich und hält insoweit an einer langjährigen Rechtsprechung fest.

3. Die Kündigung muss so in den Briefkasten eingeworfen werden, dass ein Nachweis möglich ist. Dies geschieht am Besten durch Boten oder durch Einwurfeinschreiben; nicht jedoch durch Einschreiben mit Rückschein. Dieser gilt erst als zugegangen, wenn er vom Arbeitnehmer abgenommen wird (also durch Übergabe seitens des Briefträgers) oder aber auf der Post im Falle der Abwesenheit abgeholt wird. Wenn der Arbeitnehmer den Einschreibebrief niemals abholt, geht er auch nicht zu, weil der Brief dann nach Ablauf der Liegefrist an den Absender (Arbeitgeber) zurückgeschickt wird. Bis dahin ist in jedem Fall die 2-Wochen-Frist abgelaufen.

4. Der Bote muss zeugentauglich sein. Dies bedeutet, dass er nicht wegen Falschaussage vor Gericht vorbestraft sein sollte. Er sollte vor allem auch den Text des Schreibens gelesen und verstanden haben, weil er nicht etwa nur vor Gericht dann bestätigen können sollte, dass er gesehen hat, wie der Chef einen weißen Umschlag in den Briefkasten geworfen hat und er nicht angeben kann, was Inhalt dieses Briefes gewesen war. Im Übrigen ist der Arbeitgeber selbst oder der Geschäftsführer einer GmbH selbstverständlich nicht Zeuge und damit auch als Bote des Briefes untauglich.

5. Auch über die Tageszeit des Briefeinwurfs sollte man sich Gedanken machen. Der Einwurf auf dem Weg nach Hause ist jedenfalls für diesen Tag gerechnet zu spät. Man solle sich nicht länger als bis zur Mittagszeit Zeit lassen, wenn es auf den konkreten Tag ankommt, da später eingeworfene Briefe als am Folgetag erst zugegangen gelten werden.

Wie man sieht, kann man auch beim Zugang einer Kündigung (nicht nur beim Inhalt) viel falsch machen. Die Beratungskosten bei einem Rechtsanwalt stehen in keinem Verhältnis zu den finanziellen Folgen einer Kündigung, die schon an den Formalien scheitert.