Die zivilrechtliche Abwicklung eines Verkehrsunfalles kann unübersichtlich sein. Häufig sind Unterlagen zusammenzutragen, die Schadenshöhe zu bestimmen und die Korrespondenz mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer zu führen. Um Ihnen einen ersten Überblick über die häufigsten Schadenspositionen beim Verkehrsunfall zu geben, habe ich hier einige Informationen zusammengestellt. Diese ersetzen jedoch nicht die individuelle anwaltliche Beratung – jeder Verkehrsunfall ist anders! Im Einzelfall können mehr oder weniger oder andere Schadenspositionen relevant sein.
Übersicht über häufige Schadenspositionen – Personenschaden
Schmerzensgeld
Die Bemessung von Schmerzensgeldern der Höhe nach ist ein schwieriges Feld. Meine Kanzlei reguliert ständig eine Vielzahl von Unfallangelegenheiten mit Personenschaden. Ich vertrete z.T. schwerst geschädigte Unfallopfer mit Polytraumata und verhandle mit der gegnerischen Versicherung oder prozessiere vor Gericht auch um hohe Schmerzensgelder.
Es gibt alte und auch aktuelle Gerichtsentscheidungen und zahlreiche Tabellenwerke mit Vergleichsentscheidungen. Diese eignen sich gut zur Einordnung bei leichteren und mittleren Verletzungen. Bei hohen Schmerzensgeldern ist allerdings immer der individuelle Einzelfall zu bewerten, da die Vergleichbarkeit nicht gegeben ist.
Erst langsam schließen sich die Gerichte auch bei „nur“ schweren Verletzungen und dauerhaften Folgen ohne jahrelanges Koma der richtigen Auffassung an, dass auch insoweit 6-stellige Beträge angemessen sein können.
Bei leichten Verletzungen gibt es oft erhebliche Auseinandersetzungen mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer, auch wenn es zumeist um eine Größenordnung von „nur“ zwischen € 500,00 und € 1.000,00 geht. Die wesentliche Frage ist hier oft die Beweisbarkeit von Verletzungen. Beispielsweise gibt es für eine leichte HWS-Verletzung keine bildgebende Diagnostik – was also kann einem Richter zum Beweis der Verletzung vorgelegt werden?
Es kann helfen, Familienmitglieder als Zeugen zu benennen und auch die Führung eines Schmerztagebuches mit Dokumentation der Schmerzmitteleinnahme bzw. eine detaillierten Aufstellung über alle Behandlungen, Arztbesuche, Physiotherapietermine, ReHa, usw.
Auch Familienmitglieder könenn einen eigenen Schmerzensgeldanspruch haben. Noch relativ neu ist das jetzt gesetzlich festgeschriebene Hinterbliebenengeld bzw. Angehörigenschmerzensgeld nach § 844 Abs. 3 BGB. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einen Richtwert von € 10.000,00 herausgearbeitet.
Eine besonders hohe Entscheidung hatte das OLG Frankfurt getroffen. Es hat der Ehefrau eines getöteten Motorradfahrers € 100.000,00 zugesprochen. Die Besonderheit war allerdings, dass die Ehefrau bei dem Unfallereignis anwesend war und viele Jahre lang – über die „normale“ Trauer hinaus – erheblich gesundheitlich beeinträchtigt war.
Verdienstausfall / Gewinnentgang
Selbstverständlich besteht ein Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls. Im Ergebnis wir der Nettoverdienst ausgeglichen, ab dem Moment, in welchem die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber endet. Zumeist sind ab diesem Zeitpunkt Einbußen festzustellen, da das Krankengeld und das Verletztengeld deutlich geringer ausfallen. Auch bei einem Rentenbezug wegen Erwerbsunfähigkeit verbleibt ein Fehlbetrag. Dieser ist zu berechnen und durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer auszugleichen. Typische Einkommenssteugerungen und berufliche Entwicklungsperspektiven sind – wenigstens näherungsweise – im weiteren Verlauf hochzurechnen.
Beim Angestellten Arbeitnehmer ist die Berechnung vergleichsweise einfach. Aus den Abrechungen der letzten 12 Monate vor dem Unfallereignis wird der durchschnittliche Nettoverdienst berechnet und dann zugrunde gelegt. Beim Selbstständigen müssen zumeist 3 Jahre rückwärts die Zahlen erarbeitet werden, was häufig nur mit dem Steuerberater und unter Beauftragung eines Sachverständigen gelingt.
Haushaltsführungsschaden
Was ist der Haushaltsführungsschaden?
Der sogenannte Haushaltsführungsschaden (früher „Hausfrauenschaden“) ist eine der wichtigsten Schadenspositionen als Folge eines Personenschadens. Es gibt viele Fälle, in denen in dieser Position ein höher Betrag als in der Position des Schmerzensgeldes realisiert werden kann!
Leider ist sowohl bei den regulierenden Haftpflichtversicherungen und auch bei hiermit nicht vertrauten Rechtsanwälten erhebliche Unkenntnis festzustellen. Hinzu kommt die besondere Situation der Geschädigten: je schwerer die Verletzungen, desto schwerer fällt die Befassung mit den juristischen Fragestellungen und die Dokumentation aller unfallbedingter Beeinträchtigungen.
Das OLG Hamm hat aktuell entschieden, dass der oder die Geschädigte im Einzelnen nachweisen muss, welche Tätigkeiten, die vor dem Unfall im Haushalt verrichtet wurden, unfallbedingt nicht mehr oder nicht mehr vollständig ausgeübt werden können (OLG Hamm, Beschl. v. 11.09.2020 – 9 U 96/20). Die Dokumentation des Ausfalls ist daher von erheblicher Wichtigkeit; ggf. sollte ein Tagebuch geführt werden.
Das OLG Frankfurt/Main hat übrigens entschieden, dass eine zeitliche Begrenzung auf das 75. Lebensjahr nicht in Betracht kommt, zudem sei eine vierteljährliche Rente für den Haushaltsführungsschaden zu bezahlen (Urteil vom 24.03.2020 – 22 U 82/18).
Für welche Tätigkeiten gibt es Ersatz?
Der Haushaltsführungsschaden ersetzt den Ausfall der Tätigkeit des Geschädigten im Haushalt, wobei „Haushalt“ weit zu verstehen ist. Es gehören neben den klassischen Haushalts- und Verwaltungstätigkeiten auch „Männerarbeiten“ wie z.B. die Autowartung, Holzmachen, Gartenarbeiten und Schneeräumen zu den ersatzfähigen Positionen. Auch mithelfende Kinder haben einen Anspruch.
Bedenken Sie: der Ausfall besteht bei schweren Verletzungen oft über Jahre hinweg fort und häufig bis zum Tod. Angenommen eine 30-jährige Mutter von 2 Kindern wird schwer verletzt und fällt täglich für 2 Stunden aus. Dies sind im Jahr 728 Stunden und bei einer statistischen Lebenserwartung von 84 Jahren je nach Stundensatz jedenfalls mehr als 400.000,00 Euro.
Berechnungsmethode: konkret oder fiktiv?
Die Haftpflichtversicherung muss alle Tätigkeiten ersetzen, welche durch den Geschädigten zeitweise oder dauerhaft nicht mehr erbracht werden können. Wenn für den Geschädigten „konkret“ eine Haushaltshilfe beschäftigt wird, sind die tatsächlich angefallenen Kosten zu erstatten einschließlich aller Lohn- und Sozialversicherungsanteile „brutto“.
Es ist jedoch auch die „fiktive“ Abrechnung möglich, z.B. wenn Verwandte und Freunde einspringen. Dann wird zunächst der Zeitaufwand für alle Einzelpositionen ermittelt, dieser dann mit einem Stundensatz für eine fiktive (=gedachte) Ersatzkraft multipliziert und so der täglich/wöchentlich/monatlich zu ersetzende Betrag errechnet.
Zur Ermittlung des Zeitaufwandes ist der Vergleich zu ziehen zwischen dem vor dem Unfallereignis geleisteten Aufwandes und dem nach dem Unfall noch möglichen Tätigkeitsumfang. Für Geschädigte ist es daher von größter Wichtigkeit, die Situation vor dem Unfall aufzuschreiben und bestmöglich zu dokumentieren sowie ein Tagebuch nach dem Unfall zu führen. Alle Hilfen durch Verwandte und Freunde sollten aufgeschrieben werden.
Es gibt diverse statistische Erhebungen, welche zu Hilfe genommen werden können zur zeitlichen Bemessung des Ausfalls. Diese ersetzen jedoch nicht die individuellen Ermittlungen.
Anspruchshöhe – Berechnung der Höhe nach
Der Höhe nach wird durch die Gerichte uneinheitlich entschieden; die Diskussion um die angemessene Höhe je Stunde ist noch im vollen Gange und – nicht zuletzt wegen ständiger Preissteigerungen – auch in Zukunft in Bewegung. Das Landgericht Tübingen hat einen Stundensatz in Höhe von € 12,00 entschieden; außergerichtliche Vergleiche können häufig auch in dieser Größenordnung geschlossen werden.
Versicherungen berufen sich außergerichtlich und in gerichtlichen Verfahren allerdings oft auf ältere Entscheidungen, wonach Beträge unterhalb von € 10,00 zugesprochen wurden. Die Höhe des angemessenen Stundensatzes unterliegt der richterlichen Schätzung im Einzelfall.
Zu korrigieren ist die leider oft bei diesen Gerichten noch anzutreffende falsche Auffassung von zu niedrigen Stundensätzen. Die Ursache zu niedriger Zahlen mag in manchen Fällen darin liegen, dass bewusst oder unbewusst „übliche“ Sätze bei Schwarzarbeit verglichen werden oder auch ein wenig Mißgunst eine Rolle spielt.
Das OLG Frankfurt a.M. hatte mit Urteil vom 02.07.2015 (12 U 170/13) einen Schaden in Höhe von EUR 11,71 laut TVÖD in 2015 zugesprochen. Es hat sich später an neueren Erhebungen des statistischen Bundesamtes orientiert und den Schwerpunktmehr auf das Nettoeinkommen und weniger auf den Haushaltszuschnitt gelegt (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 18.10.2018 (22 U 97/16).
Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 27.04.2021 (1 U 38/20) die Regelungen des früheren TVÖD fortgeschrieben und entschieden, dass unter Fortschreibung der bis 2014 existierenden Tabellenwerke sich für den Zeitraum 2020/2021 ein Nettostundensatz von EUR 12,00 ergebe.
Das LG Köln hat mit Urteil vom 09.04.2008 (25 O 72/05) EUR 12,00 zugesprochen, das AG Ludwigsburg mit Urteil vom 24.04.2009 (10 C 151/09) EUR 15,00. Das LG Osnabrück hat mit Urteil vom 13.04.2016 (9 O 217/12) EUR 11,00 zugesprochen (für die Deckungsausfallversicherung).
Das LG Oldenburg (6 O 2175/17) entschied, dass ein Stundensatz für das im dortigen Verfahren streitgegenständliche Jahr 2016 von EUR 14,00 netto angemessen gewesen sei. Das Gericht hat eigene Sachkunde zu Nettolöhnen von Haushaltshilfen im Raum Oldenburg seiner Schätzung zugrunde gelegt.
Die Unsicherheiten sind insoweit bedauerlich, da es eigentlich eine geeignete Grundlage für die monetäre Bemessung des Ausfalls gibt: § 21 JVEG. Warum soll der Ausfall eines/r im Haushalt Tätigen während einer Zeugenaussage vor Gericht anders bewertet werden als nach einem Unfall? So orientiert sich das Landgericht (LG) Tübingen in seiner Rechtsprechung.
Details im Einzelfall
Die Schadensposition des Haushaltsführungsschadens ist insgesamt von vielen juristischen Details belastet. Handelt es sich um einen Single-Haushalt oder um eine Familie? Wie groß ist die Wohnung? Wie sieht es mit der Beweisbarkeit aus? Zeiten der stationären Behandlung werden anders behandelt als solche zuhause. Ist der Ausfall nur geringfügig? Wichtig ist auch die Frage, ob Leistungen von Dritter Seite anzurechnen sind, z.B. Zahlungen der Berufsgenossenschaft oder Pflegegeld. insgesamt stellt die Berechnung des Haushaltsführungsschadens eine der aufwändigsten Aufgaben bei der Unfallregulierung dar.
Heilbehandlungskosten / Zuzahlungen
Der wichtigste Grundsatz im Schadensersatzrecht ist der, dass der Geschädigte so gestellt werden soll, als wäre der Unfall nicht geschen. Bei einem Gesundheitsschaden ist dies häufig nicht vollständig möglich, jedoch soll die Annäherung an ein bestmögliches Ergebnis versucht werden. Dies bedeutet für den Geschädigten, dass er alle medizinisch notwendigen Behandlungen bezahlt erhalten muss.
Da zumeist eine gesetzliche oder private Krankenversicherung besteht, geht diese in Vorleistung. Die Behandlung wird also zunächst vorfinanziert und später nimmt der Leistungsträger Regress beim Haftpflichtversicherer.
Soweit allerdings Zuzahlungen zu leisten sind, sind diese im Grundsatz auch durch den Haftpflichtversicherer zu ersetzen – schließlich kann der Geschädigte nichts für deren Entstehen. Alerdings werden die Zuzahlungen für stationäre Aufenthalte häufig verrechnet mit sogenannten „ersparten Aufwendungen“ des Geschädigten. Erspart soll sein, dass nicht zuhause gegessen wird und auch kein Wasser- und Stromverbrauch stattfindet.
Einen Sonderfall bilden Wegeunfälle, welche über die zuständige Berufsgenossenschaft abgewickelt werden. Hier wird einerseits zunächst die (zumeist bessere) Behandlung über das System der BG angeboten. Zuzahlungen fallen keine an. Fahrtkosten werden (teilweise) erstattet. Das Verletztengeld ist in der Regel höher als das Krankengeld. Eine Rentenzahlung ist möglich. Andererseits gibt es eine Festlegung auf durch die BG zugelassene Ärzte und Kliniken.
Fahrtkosten
Alle Fahrtkosten im Zusammenhang mit dem Unfallereignis werden erstattet. Es gibt immer wieder Streit um die Höhe der Erstattung je gefahrenem Kilometer. Zur späteren Berechnung sollten alle Fahrten notiert werden – ich empfehle bei längeren Heilungsverläufen einen Kalender anzulegen. Zu den ersatzfähigen Fahrtkosten gehören auch diejenigen zu (Nach-)Untersuchungen und Behandlungen beim Physiotherapeuten.
Vermehrte Bedürfnisse
Der etwas sperrige Begriff der „vermehrten Bedürfnisse“ umschreibt alle Positionen, welche konkrete Kosten auslösen zur Beseitigung oder Linderung der Unfallfolgen. Dies sind in erster Linie Hilfs- und Heilmittel, wie z.B. ein Rollstuhl, ein Treppenlift, Griffe in der Dusche, Umbauten im Haus, ein PKW mit Automatik oder sonstigen bedarfsgerechten Umbauten, Spezialschuhe, Inkontinenzeinlagen, usw.
Beerdigungskosten bei Tod des Geschädigten
Verstirbt der Geschädigte, besteht ein Anspruch auf Erstattung der angemessenen Beerdigungskosten, ggf. einschließlich der Kosten einer Überführung in den Heimatort oder das Heimatland. Maßstab ist immer der finanzielle Aufwand, welcher auch bei einem natürlichen Tod des Geschädigten durch die Familie geleistet worden wäre.
Arbeitgeberschaden – Lohnausfall
Auch Ihr Arbeitgeber kann einen wirtschaftlichen Schaden dadurch haben, dass Sie einen Verkehrsunfall hatten. Dies deshalb, da er Lohnfortzahlung leisten muss für 6 Wochen. Er kann diesen Schaden geltend machen, inklusive der Arbeitgeberbeiträge „brutto“. Er muss allerdings selbst den gegnerischen Haftpflichtversicherer in Anspruch nehmen. Sie sollten ihm daher vorsorglich die Schadennummer mitteilen.
Übersicht über häufige Schadenspositionen – Fahrzeugschaden
Der Schaden am Fahrzeug – Reparatur- oder Totalschaden
Der eigentliche Fahrzeugschaden besteht entweder in den Reparaturkosten oder bei einem Totalschaden in dem Wiederbeschaffungsaufwand des beschädigte Fahrzeuges.
Die Reparaturkosten sollten ab einem Schaden von ca. € 1.500,00 durch ein Sachverständigengutachten nachgewiesen werden.
Die Reparaturkosten können „konkret“, d.h. durch Vorlage einer Rechnung abgerechnet werden. Sie können oft auch „fiktiv“ abgerechnet werden, d.h. in Höhe der im Gutachten ausgewiesenen Kosten – allerdings nur Netto, da die MwSt. nur erstattet wird, wenn sie tatsächlich bezahlt wird. Dies wäre allerdings teilweise der Fall, wenn eine Teilreparatur stattfindet.
Stellt sich der Fahrzeugschaden als Totalschaden heraus, wird zumeist ein Restwert für das „Wrack“ festgestellt. Diesen erhält man vom Ankäufer des „Wracks“. Die Differenz zum Wiederbeschaffungswert bezahlt dann die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners.
Leider gibt es viele Besonderheiten und oft Kürzungsbemühungen der Versicherungen, weshalb hier eine ausführliche Beratung erforderlich wird.
Auch muss beachtet werden, dass die Reparatur nicht unbegrenzt im Verhältnis zur Totalschadensabrechnung möglich ist.
Der Schaden nach einem Unfall kann sich aus verschiedenen weiteren Positionen zusammensetzen. Typische „Nebenpositionen“ sind z.B. Abschleppkosten, Standgeld, Sachverständigenkosten, Ab-/Anmeldekosten, Wertminderung, Kostenpauschale
Mietwagen oder Nutzungsausfall
Mobilität als geschütztes Rechtsgut
Eine wichtige Position ist bei der Unfallregulierung für Geschädigte die Frage der Mobilität. Es ist in der herrschenden Rechtsprechung anerkannt, dass Sie eine Entschädigung für den Fahrzeugausfall erhalten. Dies gilt immer dann, wenn eine spürbare Beeinträchtigung durch den Verlust der Mobilität eintritt. Dies ist der Fall, wenn Sie unfallbedingt nicht mehr über ein Kraftfahrzeug (frei) verfügen können, sich also z.B. mit einem Fahrzeug aus der Familie behelfen, oder auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen müssen.
Die Frage ist nur: Mietwagenkosten oder Nutzungsausfall abrechnen?
Mietwagen
Der einfachste Weg den Verlust der Mobilität zu kompensieren, ist es, einen Mietwagen anzumieten für die Dauer des Fahrzeugausfalls. Die Dauer ist auf die erforderliche Zeit begrenzt. Um die sog. Schadensminderungspflicht zu beachten, sollte ein Fahrzeug einer niedrigeren Fahrzeugklasse angemietet werden. Auch sollte darauf geachtet werden, dass der Mietpreis nicht überhöht ist. Die Erstattung erfolgt nur in Höhe angemessener Kosten.
Nutzungsausfall
Wird kein Fahrzeug angemietet, kann für den Ausfall des Fahrzeuges sog. „Nutzungsausfall“ geltend gemacht werden. Dieser wird pauschaliert für jedes Fahrzeug ermittelt. Es gibt verschiedene Tabellenwerke und auch regional spezielle Rechtsprechung zur Bemessung des Nutzungsausfalls der Höhe nach. Ältere Fahrzeuge werden herabgestuft, jedoch gibt es auch für diese den Nutzungsausfall.
Für den Nutzungsausfall muss damit gerechnet werden, dass der gegnerische Haftpflichtversicherer einen Nachweis der Reparatur oder der Ersatzbeschaffung verlangt. Dies ist gängige Praxis, obwohl die Rechtsprechung den Nachweis nicht als zwingend voraussetzt.
Auch die Kombination von Mietwagenkosten und Nutzungsausfall für unterschiedliche Zeiträume ist möglich. Es kann z.B. erst ein Mietwagen für einige Tage genommen werden und dann auf Nutzungsausfall umgestiegen werden, sofern der bestehende Mobilitätsbedarf anderweitig gedeckt werden kann.
Gewerbliche Fahrzeuge
Für gewerblich genutzte Fahrzeuge, PKW, Taxen, Busse, LKW, gibt es eine gesonderte Berechnungsmethode über die Vorhaltekosten. Zur wirkungsvollen Geltendmachung sind Spezialkenntnisse erforderlich.
Nutzungsausfall auch ohne Ersatzbeschaffung
Immer wieder beschäftigt in der Unfallregulierung die Gerichte die Frage, ob Nutzungsausfall auch ohne Ersatzbeschaffung eines „neuen“ Fahrzeuges durch den Schädiger zu ersetzen ist. Monoton trägt die Versicherungsseite immer wieder vor, dass dies so sei. Indes findet sich, obwohl die Amtsgerichte in der Mehrzahl ebenfalls gegen die Unfall-Geschädigten entscheiden, hierfür die gesetzliche Grundlage nicht.
Die Voraussetzungen für den Ersatz von Nutzungsausfall sind der Verlust der Nutzungsmöglichkeit bei gleichzeitig gegebenem Nutzungswillen. Die persönliche Möglichkeit der Nutzung darf nicht ausgeschlossen sein, z.B. durch schwere Unfallverletzungen.
Einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 10.06.2008 (Az.: VI ZR 248/07) sind die Kriterien für die Zuerkennung von Nutzungsausfall zu entnehmen, auch wenn in dem zugrundeliegenden Fall der Anspruch nicht zuerkannt wurde, da neben dem beschädigten (Freizeit-) Wohnmobil unproblematisch ein anderes Fahrzeug dem Geschädigten zur Verfügung stand.
Der Nutzungswille ist regelmäßig schon durch die Nutzung des KfZ im Zeitpunkt des Unfalles bestätigt. Ohne Nutzungswillen wäre der Geschädigte ja gar nicht „nutzend“ in den Unfall verwickelt worden. Auch kann durch das Verhalten des Geschädigten nach dem Unfall der Nutzungswille dokumentiert werden, wenn der Geschädigte z.B. sich Fahrzeuge von Familienmitgliedern oder Dritten ausleiht, mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt oder sonst nachvollziehbar behilft. Denn: Freiwillige Leistungen Dritter entlasten den Schädiger nicht, was der BGH schon mit seiner Entscheidung vom 17.03.1970 (Az.: VI ZR 108/68) bereits feststellte.
So hat das LG Kaiserslautern in seiner Entscheidung vom 14.06.2013 (Az.: 3 O 837/12) entschieden, dass Nutzungsausfall auch ohne Nachweis einer Ersatzbeschaffung zu ersetzen ist.
Das OLG Düsseldorf entschied in seinem Urteil vom 26.04.04 (I-1 U 177/03):
„Der hypothetische Nutzungswille jedenfalls des privaten Halters bzw. Eigentümers ist grundsätzlich zu vermuten.“
Das LG Karlsruhe entschied mit Urteil vom 09.05.05 (5 S 161/04):
„Die Tatsache, dass der Kläger zum zeitpunkt des Unfalls über ein Fahrzeug verfügte, beweist bereits, dass er einen grundsätzlichen Nutzungswillen hatte.“
Das KG Berlin formuliert in seinem Urteil vom 01.03.2004 (12 U 96/03):
„Der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung setzt nicht die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs voraus.“
Die Erfahrung spricht für den Nutzungswillen, wäre der Unfall nicht eingetreten (so OLG Celle VersR 1973, 717; OLG Frankfurt a.M. DAR 1984, 318).
Ähnlich begründete das LG Braunschweig sein Urteil vom 19.08.2005 – 8 S 385/05 39:
„Aus den Gründen:
…Die Nutzungsausfallentschädigung soll die Vermögenseinbuße ausgleichen, die dem Verletzten durch den unfallbedingten Verzicht auf die Verfügbarkeit über sein Unfallfahrzeug entstanden ist. Ein solcher unfallbedingter Verzicht liegt auch dann vor, wenn kein Ersatzfahrzeug angeschafft und keine Reparatur durchgeführt wurde. Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben, dies spricht jedoch nicht gegen eine generelle Nutzungsmöglichkeit und einen Nutzungswillen des Verletzten. Die Tatsache, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls über ein Fahrzeug verfügte, beweist bereits, dass er einen grundsätzlichen Nutzungswillen hatte…„
Der Nutzungsausfall bezieht sich auf das beschädigte Fahrzeug. Die Beeinträchtigung des Geschädigten muss fühlbar sein. Hat er z.B. ein zweites Fahrzeug, steht ihm kein Nutzungsausfall zu.
Sachverständigenkosten
Zur Ermittlung des Fahrzeugschadens wird in der Regel ein Sachverständigengutachten benötigt. Erst mit einem qualifizierten Gutachten steht der eingetretene Schaden fest.
Nur bei Bagatellschäden würde die Einholung eines Sachverständigengutachtens einen zu großen Aufwand darstellen. Ab einem geschätzten Schaden von ca. 800,– Euro sollte laut Bundesgerichtshof ein Gutachten eingeholt werden (BGH, Urteil vom 30.11.2004, VI ZR 365/03 = 727,00 Euro). das AG München sieht die Grenze bei etwa € 1.000,00 (Urteil v. 15.09.2015, 344 C 16121/15). Ebenso entschied das AG Böblingen (Urteil v. 07.06.2018, 19 C 641/18) Auch nach dem neueren Maßstab kann ein Gutachten auf jeden Fall ab € 1.200,– eingeholt werden.
Aus dem Gutachten geht in Grenzfällen hervor, ob ein Reparatur- oder ein Totalschaden vorliegt. Auch eine mögliche Wertminderung wird durch den Gutachter berechnet.
Um sich auf die Zahlen verlassen zu können, sollte der Gutachter unabhängig sein. Dies ist nur dann gewährleistet, wenn er der Auftrag von Ihnen erhält und nicht von der Versicherung des Unfallgegners.
Möglicherweise kennen Sie selbst einen Gutachter. In diesem Falle sollten Sie dafür Sorge tragen, dass wir das Gutachten schnellstmöglich erhalten. Wir können Ihnen, auch im weiträumigen Umkreis, einen unabhängigen Gutachter benennen.
Die Kosten des Sachverständigengutachtens trägt die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners sofern durch den Gutachter nicht überhöht abgerechnet wurde.
Kostenvoranschlag – Ersatz der Kosten
Bei geringeren Schäden reicht es in der Regel aus, den Schaden der Höhe nach durch Vorlage eines Kostenvoranschlages einer Werkstatt bestimmen zu lassen.
Der gegnerische Haftpflichtversicherer muss die Kosten ersetzen. Das AG Böblingen hat einen Betrag von 70,00 Euro schon 2014 für angemessen erachtet (Urteil v. 28.01.2014, 2 C 2391/13).
Es ist auch möglich, dass ein Gutachter anstelle eines Gutachtens nur eine kurze Kostenkalkulation erstellt, dann sind dessen Kosten zu ersetzen. Im Betrag gilt entsprechendes wie für einen Kostenvoranschlag der Werkstatt, so z.B. auch AG Heidenheim, Urteil v. 27.12.2013, 5 C 699/13.
Beanstandet der gegnerische Haftpflichtversicherer einen vom Geschädigten vorgelegten Kostenvoranschlag, darf dieser gem. AG Freiburg i. B. anschließend ein Sachverständigengutachten einholen (Urteil v. 28.01.2019, 11 C 1714/18). So auch AG Hattingen (Urteil v. 10.02.2017, 16 C 92/16) und AG Köln (Urteil v. 18.03.2016, 274 C 141/15) sowie AG Coesfeld (Urteil v. 09.12.2020, 6 C 81/20) und AG Hamburg-Barmbek (Urteil v. 16.11.2020, 816 C 138/20).
Abschleppkosten
Wenn Ihr Fahrzeug nach einem Unfall abgeschleppt werden muss, bezahlt die Haftpflichtversicherung Ihres Unfallgegners auch die erforderlichen Abschleppkosten.
Sie müssen nur die sog. Schadensminderungspflicht beachten: die Kosten dürfen nicht offensichtlich überhöht abgerechnet werden. Hierzu gehört auch, dass das Fahrzeug nicht beliebig weit transportiert werden darf; dies gilt insgesamt bei einem klaren Totalschaden – das „Wrack“ kann zumeist auch nahe des Unfallortes verkauft werden.
Jedenfalls in Not- und Eilsituationen oder bei Beauftragung durch die Polizei (hier: Auffahrunfall auf der Autobahn) besteht laut AG Stuttgart keine Preisvergleichspflicht (Urteil v. 19.10.2020, 41 C 1927/20).
Standgeld
Es kommt vor, dass nach dem Abschleppen Ihr Fahrzeug einige Zeit beim Abschleppunternehmen stehen bleibt. Dieses darf ein sog. „Standgeld“ verlangen, also eine Art Miete für den Stellplatz. Die Haftpflichtversicherung Ihres Unfallgegners muss die Kosten ersetzen.
Zu beachten ist jedoch die sog. Schadensminderungspflicht: das Fahrzeug darf nicht zu lange „herumstehen“ bis es verkauft oder zur Reparatur abgeholt wird. Als angemessen wird in der Regel eine Zeit von 14 Tagen angesehen; im konkreten Einzelfall kann die Zeit auch länger sein.
Abmeldekosten und Neuzulassung
Die Abmeldung Ihres Fahrzeuges mit Totalschaden verursacht bei der Zulassungsstelle Kosten. Dieses werden ebenso ersetzt, wie die Kosten der Neuzulassung. Zu den ersatzfähigen Kosten gehören auch die Kosten der neuen Kennzeichen und für die Umweltplakette.
Sachschäden
Gehen im Fahrzeug transportierte Gegenstände zu Bruch oder verloren, muss die gegnerische Versicherung Ihnen auch diese Gegenstände ersetzen. Dies gilt für Ihr Handy ebenso wie Brillen, Einkäufe im Kofferraum, CDs und Kleidungsstücke. Bei allen Gebrauchsgegenständen wird allerdings nur der Zeitwert ersetzt, was durchaus ärgerlich sein kann bei noch relativ neuen und langlebigen Gegenständen.
Bei Motorradfahrern wird die Schutzkleidung einschließlich Helm und Protektoren ersetzt. Auch hier versuchen die Versicherungen zu kürzen mit dem Argument „neu für alt“. Bei noch nicht weitgehender Abnutzung ist jedoch für echte Motorradschutzkleidung und den Helm dieser Abzug nicht oder allenfalls minimal hinzunehmen.
Rückstufungsschaden bei Inanspruchnahme Vollkasko
In manchen Fällen kann es sich lohnen, die eigene Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Dies bietet sich an, wenn die Schuldfrage noch unklar ist oder die Versicherung des Unfallgegners nicht zeitnah reguliert. Durch die Vollkaskoversicherung kann der Schaden schnell reguliert und das beschädigte Fahrzeug wieder fahrfähig gemacht werden. In der Regel wird allerdings der Vertrag belastet und dadurch steigt der Versicherungsbeitrag für die nächsten Jahre. Dieser Rückstufungsschaden kann ebenfalls geltend gemacht werden, allerdings immer nur Jahr für Jahr.
Desinfektionskosten – Corona
Zunächst umstritten, inzwischen aber geklärt, ist die Erstattungsfähigkeit von Desinfektionskosten im Zusammenhang mit der Fahrzeugreparatur. Ein Betrag von € 7,50 für den Sachaufwand zzgl. 3 AW für den Aufwand sind zu erstatten. Hierzu gibt es eine aussagekräftige Studie sowie eine deutlich überwiegende Rechtsprechung. Pro Erstattung haben entschieden z.B. das AG Nürtingen (Urteil v. 26.11.2020, 44 C 4606/20), das AG Reutlingen (Hinweisbeschluss v. 03.03.2021, 11 C 1029/20), das AG Böblingen (Urteil v. 17.02.2021, 1 C 1773/20), AG Stuttgart (Urteil v. 15.02.2021, 47 C 3723/20), AG Pforzheim (Urteil v. 01.04.2021, 2 C 333/21).
Bitte nehmen Sie sich die Zeit und schauen Sie sich auch die Hinweise zu Unfall und Verkehrsrecht an.
Weitere Versicherungsleistungen
Zu denken ist immer auch an die Inanspruchnahme der Fahrzeugversicherung, Unfallversicherung, der Berufsgenossenschaft bei Wegeunfall, der Fahrer-/Insassenversicherung/Schutzbrief, Sterbegeldversicherung, Reiseversicherung (ggf. über die Kreditkarte) und weitere private Versicherungen
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