Gebrauchtwagenkauf und Gewährleistung – Verkürzung der Verjährung auf 1 Jahr ist unzulässig, EuGH C-133/16

Im deutschen Gewährleistungsrecht findet sich die vielfach praktizierte Regelung, wonach die Verjährung der gesetzlichen Gewährleistung des gewerblichen Verkäufers eines gebrauchten KfZ (oder einer anderen gebrauchten Sache) gegenüber einem privaten Käufer auf 1 Jahr begrenzt werden darf. Diese Verkürzung der Verjährung ist unzulässig

Diese Regelung ist nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, C-133/16) in dieser Form unwirksam, da das deutsche Recht – und dementsprechend die überwiegende Zahl der AGB von Verkäufern – zwei Begrifflichkeiten „unsauber“ in dem Begriff der Verjährung zusammengefasst hat.

Der EuGH unterscheidet jedoch genau zwischen der Haftungsfrist und der Verjährungsfrist. Die Haftungsfrist darf auf ein Jahr begrenzt werden, die Verjährungsfrist nicht.

Für den Verbraucher bedeutet dies, dass Mängel, die innerhalb der Haftungsfrist auftreten auch noch später, bis zum Ablauf von 2 Jahren, gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht werden können.

Innerhalb der Haftungsfrist gibt es noch die Besonderheit, dass innerhalb der ersten 6 Monate nach Übergabe des Fahrzeuges eine sog. Beweislastumkehr zugunsten des Käufers besteht. Tritt der Mangel in dieser Zeit auf, wird vermutet, dass er bereits bei der Übergabe des Fahrzeuges vorhanden war. Tritt ein Mangel auf, solltes dieser deshalb immer unverzüglich beim Verkäufer angezeigt werden.

Winterreifenpflicht

Wie ist das eigentlich mit den Winterreifen? Wann müssen/sollen welche Reifen zum Einsatz kommen?

Die Pflicht besteht nur bei winterlichen Bedingungen!

Zunächst einmal hilft der Blick ins Gesetz § 2 Absatz 3a StVO:

„Der Führer eines Kraftfahrzeuges darf dies bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eisglätte oder Reifglätte nur fahren, wenn alle Räder mit Reifen ausgerüstet sind, die unbeschadet der allgemeinen Anforderungen an die Bereifung den Anforderungen des § 36 Absatz 4 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung genügen.“

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Keine Mithaftung des Auffahrenden trotz Überschreitung der Autobahn-Richtgeschwindigkeit um ca. 20 %

LG Rottweil Urteil vom 19.8.2016, 1 S 57/16
Vorinstanz: AG Horb am Neckar vom 31.03.2016,  1 C 47/16

Ein mit 20% über der Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn fahrender PKW war hinten auf einen plötzlich vor ihn ausscherenden LKW aufgefahren.

Aus den Gründen des Berufungsurteiles:

„Im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagten nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1, Abs. 3, 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG – hinsichtlich der Beklagten Ziffer 2 in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG – verneint. Die vom Amtsgericht ermittelte Haftungsquote, nämlich Alleinhaftung des Klägers, dem das Verschulden seiner Fahrerin zuzurechnen ist, ist nicht zu beanstanden. Die Entscheidungsgründe legen überzeugend und ausführlich dar, dass dem Kläger kein Anspruch zusteht. Auf die Urteilsbegründung wird ausdrücklich Bezug genommen.

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Keine Haftung des Busfahrers für einen Sturz während des Anfahrens – Obliegenheit zur Eigensicherung des Fahrgastes

Keine Haftung des Busfahrers für einen Sturz während des Anfahrens. Am gleichen Tag hat das Gericht in einem Parallelverfahren 11 U 108/17 ebenfalls zugunsten des Busfahrers entschieden.

OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018, 11 U 57/17
Vorinstanz: Landgericht Bochum, 8 O 23/17

Aus den Gründen:

Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung umfasst die Pflicht eines Fahrgastes zur Eigensicherung die Obliegenheit, sich unmittelbar nach dem Zusteigen in eine Straßenbahn oder einen Linienbus sicheren Stand oder einen Sitzplatz sowie sicheren Halt zu verschaffen (vgl. u.a.: Senat, NZV 2017, 377 m.w.N.). Auch aus § 4 Abs. 3 S. 5 BefBedV und § 14 Abs. 3 Nr. 4 BOKraft ergibt sich, dass ein Fahrgast eines Busses verpflichtet ist, sich „stets“ einen festen Halt zu verschaffen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BefBedV haben sich Fahrgäste bei Benutzung der Betriebsanlagen und Fahrzeuge so zu verhalten, wie es die Sicherheit und Ordnung des Betriebes, ihre eigene Sicherheit und die Rücksicht auf andere Personen gebieten. Kommt ein Fahrgast bei normaler Anfahrt einer Straßenbahn oder eines Linienbusses zu Fall, spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Sturz auf mangelnde Vorsicht des Fahrgastes zurückzuführen ist. Hat es ein Fahrgast versäumt, gerade in dem Zeitraum des besonders gefahrenträchtigen Anfahrens sicheren Halt an einer der Haltestangen zu suchen, trifft ihn nicht nur ein leichtes, sondern ein erhebliches Mitverschulden, demgegenüber die Betriebsgefahr der Straßenbahn oder des Linienbusses bei der Abwägung der Schadenursachen völlig zurücktritt (vgl. Senat, a.a.O.).

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(Keine) Haftung des Busfahrers beim Sturz eines Fahrgastes beim Anfahren

OLG Celle 14. Zivilsenat, Beschluss vom 26.06.2018, 14 U 70/18
vorgehend LG Lüneburg, 5. März 2018, Az: 1 O 65/17

1. Der Fahrer eines Linienbusses braucht sich vor dem Anfahrvorgang nur dann zu vergewissern, ob ein Fahrgast Platz oder Halt im Wagen gefunden hat, wenn sich für ihn aufgrund einer erkennbaren, schwerwiegenden Behinderung des Fahr-gastes die Überlegung aufdrängt, dieser werde anderenfalls beim Anfahren stürzen.
2. Ein Fahrgast, der beim Anfahren stürzt, haftet grundsätzlich allein, wenn er sich nach dem Einsteigen in einen Bus nicht sofort festen Halt verschafft. Stürzt der Fahrgast beim Anfahren, so streitet der Beweis des ersten Anscheins, dass der Sturz auf mangelnde Vorsicht des Fahrgastes zurückzuführen ist.

Aus den Gründen des Beschlusses lässt sich entnhemen, dass das Gericht grundsätzliche Erwägungen anstellte:

„Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht eine Haftung des Beklagten als Führer des Kraftomnibusses sowohl gemäß § 18 Abs. 1 StVG als auch gemäß § 823 Abs. 1 BGB bzw. §§ 823 Abs. 2 BGB, 229 StGB wegen des Sturzes der Klägerin am 23. Dezember 2015 als Fahrgast des Linienbusses Nr. … im Bereich der Bushaltestelle … in U. verneint.

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Kein Verweis auf kostengünstigere Reparaturmöglichkeit in einer anderen freien Werkstatt bei fiktiver Abrechnung

Das AG Dorsten kommt in seinem Urteil vom 19.09.2017 – Az.: 3 C 94/17 – zu dem Ergebnis, dass der Geschädigte, der der Reparaturkalkulation bei fiktiver Abrechnung durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Werkstatt zugrunde legt, sich nicht von der Versicherung auf eine kostengünstigere Reparaturmöglichkeit in einer anderen freien Werkstatt verweisen lassen muss. Der Geschädigte hat nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Er muss sich nicht auf die günstigsten erzielbaren Preise verweisen lassen, da bereits durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Fachwerkstatt kalkuliert wurden. Ein Verweis auf eine kostengünstigere Reparaturmöglichkeit in einer anderen freien Werkstatt würde die Dispositionsfreiheit des Geschädigten in unzulässiger Weise einschränken.

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Kein Verweis auf günstigere Stundenverrechnungssätze, wenn ortsübliche Stundenverrechnungssätze zugrundgelegt werden

Das AG München kommt in seinem Urteil vom 19.10.2017 – 343 C 11115/17 – zu dem Ergebnis, dass der Geschädigte einen Anspruch auf Ersatz der vom Sachverständigen kalkulierten Kosten der Reparatur in einer in seinem Wohnbereich ortsansässigen, nicht markengebundenen Fachwerkstatt zu den mittleren, ortsüblichen Stundenverrechnungssätze hat. Überschreiten die zugrunde gelegten Stundenverrechnungssätze diese Schwelle nicht, braucht sich der Geschädigte nicht auf eine angeblich günstigere Referenzwerkstatt des Versicherers verweisen zu lassen. Das AG München schließt sich insoweit der Entscheidung des OLG München vom 13.09.2013 an.

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Hohes Schmerzensgeld für Schockschaden eines miterlebenden Angehörigen

OLG Frankfurt am Main — Urt. v. 06.09.2017 – 6 U 216/16

Mit seiner Entscheidung hat das OLG der Ehefrau eines getöteten Motorradfahrers ein hohes Schmerzensgeld in Höhe von € 100.000,00 zugesprochen.
Die Besonderheit war allerdings, dass die Ehefrau bei dem Unfallereignis anwesend war. Sie mit ihrem PKW in unmittelbarer Nähe gefahren.

Aus den Gründen des Urteils:
…“(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können durch ein Unfallgeschehen ausgelöste, traumatisch bedingte psychische Störungen von Krankheitswert eine (zurechenbare) Gesundheitsverletzung i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die hinreichende Gewissheit besteht, dass die psychisch bedingte Gesundheitsschädigung ohne die Verletzungshandlung nicht aufgetreten wäre. Sog. Schockschäden, d.h. psychische Beeinträchtigungen infolge des Todes naher Angehöriger, sind dabei nur als Gesundheitsverletzung anzusehen, wenn sie pathologisch fassbar sind und über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Hinterbliebene bei der Benachrichtigung vom tödlichen Unfall eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind (BGH, NJW 2015, 2246, 2248 [BGH 10.02.2015 – VI ZR 8/14]; BGH, NJW 2015, 1451, 1452 [BGH 27.01.2015 – VI ZR 548/12] Tz. 6 f. m.w.N.).“

„bb) Die Gesundheitsbeeinträchtigung der Klägerin zu 1) ist adäquat-kausal und zurechenbar darauf zurückzuführen, dass diese den tödlichen Unfall ihres Mannes miterleben musste. Sie ist nicht „lediglich“ davon benachrichtigt worden.“

„(2) Rechnet man die insgesamt € 100.000,00 (allein) auf die vergangenen ca. 12 Jahre um, beträgt das Schmerzensgeld nicht einmal € 8.500,00 pro Jahr. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Gesundheitsbeeinträchtigung der Klägerin zu 1) auch künftig andauern und sie aufgrund ihrer psychischen Belastung voraussichtlich nie ein „normales Leben“ führen können wird, ist ein Gesamtbetrag von € 100.000,00 zur Abgeltung ihres gesamten immateriellen Gesundheitsschadens nicht übersetzt.“

Es ist zur Schadensregulierung ausreichend eine modifizierte Schweigepflichtentbindungserklärung abzugeben

Die Entscheidung ist sehr erfreulich. Heutztage werden Unfallgeschädigte mit diversen Formularen behelligt, zu diesen gehört beim Personenschaden eine sog. Schweigepflichtentbindungserklärung. Mit dieser werden häufig diverse Einwilligungen in Datenerhebungen abverlangt. Es ist ausreichend, eine modifizierte Schweigepflichtentbindungserklärung abzugeben, beschränkt auf die notwendigen Inhalte.

Das Landgericht Essen hat durch Beschluss vom 08.08.2018 entschieden, dass der Kläger, der die von der beklagten Versicherung vorgelegte Einwilligung zur Datenweitergabe an Dritte nicht benutzt, nicht mangels Kooperation Anlass zur Klage gibt. Der Kläger hat die erforderlichen Atteste und Belege sowie den Fragebogen der Beklagten und eine modifizierte Schweigepflichtentbindungserklärung bei der Beklagten eingereicht, aus der sich seine Krankheitsgeschichte belegen lässt. Dass er die Einwilligung zur Datenweitergabe an Dritte durch die Beklagte nicht unterzeichnete, kann nicht zum Nachteil des Klägers gereichen. Eine Prüffähigkeit war durch die eingereichten Unterlagen gegeben. Der Beklagten lagen alle Arztberichte vor, welche auch der Gerichtsakte beiliegen, sowie die Entbindung der Schweigepflicht. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Beklagte eine Prüfung der Umstände aufgrund der fehlenden Einwilligung in die Datenweitergabe an Dritte nicht vornehmen konnte. Dass interne, automatisierte Speicherungsprozesse durch die mangelnde Einwilligungserklärung erschwert werden, ist ein Problem der Beklagten und kann dem Kläger nicht angelastet werden. Müsste der Kläger die Einwilligung in die Datenweitergabe an Dritte erteilen, um an seinen Schadensersatzanspruch zu kommen, widerspräche das sämtlichen datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Die Einwilligungserklärung in die Datenweitergabe wäre kaum mehr freiwillig und somit obsolet.

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Auch für den Betreiber einer gewerblichen Flotte stellen Rechtsanwaltskosten für den von ihm beauftragten Rechtsanwalt für eine Unfallschadenregulierung grds. erforderlichen Herstellungsaufwand dar.

Die Geschädigte betrieb eine gewerblich genutzte Fahrzeugflotte. Ein fahrzeug wurde beschädigt. Die Haftung dem Grunde nach war zwischen den Parteien unstreitig.
Das Gericht hat die Ansprüche auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten zuerkannt. Es sei insbesondere nicht entscheidungserheblich, ob die Geschädigte über eine eigene Rechtsabteilung verfüge. Auch träfe sie keine Pflicht zur entsprechenden Einrichtung ihres Betriebes.
Auch der gewerbliche Flottenbetreiber darf deshalb in Unfallangelegenheiten „von Beginn an“ einen Rechtsanwalt einschalten und sich die Erstattung der hierzu anfallenden Kosten verlangen.

AG Münster, Urt. v. 8.5.2013 – 55 C 4095/12