Blitzer 2025 – Rohmessdaten vor dem BGH

Der Dauerbrenner geht in die nächste Runde, nun muss der BGH entscheiden. Freunde von Asterix und Obelix erinnern sich: ein gallisches Dorf in Randlage stemmt sich gegen den Rest der (damals römischen) Welt. Vielfach werden Missstände und Unrecht behandelt – und am Ende gewinnen immer die Gallier…

Je nach politischer, juristischer und persönlicher Vorliebe, mag man also mit eigener Bewertung nach Saarbrücken blicken, mitten in Europa, am Rande Deutschlands und mit Standhaftigkeit gegen die juristisch anders tickende restliche Republik.

Worum geht es?

Um den gerechten und gesetzeskonformen Umgang mit staatlichen Eingriffen in die Freiheit der Bürger, in diesem Falle ausgetragen im Recht des Strassenverkehrs, konkret am Blitzer.

Um ganz genau zu sein, geht es um die Frage, ob und wie genau es möglich sein soll, die vom jeweiligen Blitzer, in der Fachsprache „das Messgerät“ genannt, produzierten Geschwindigkeitswerte nachvollziehbar machen zu müssen. Die Behörden stützen nämlich auf diese Geschwindigkeitswerte die in Bußgeldbescheiden erhobenen Tatvorwürfe und belangen den (gelegentlich zu schnell) autofahrenden Bürger mit Sanktionen.

Was misst eigentlich ein Blitzer?

Technisch muss man verstehen, dass der jeweilige Blitzer nicht einen einzigen Wert „misst“, sondern aus sehr vielen Einzelwerten diverse Berechnung vornimmt. Am Ende dieser Berechnungen kommen eben die vorgeworfene Geschwindigkeit als rechnerisches Berechnungsergebnis und ein oder mehrere Blitzerfotos heraus.

Will man rückwärts auf wissenschaftlicher Grundlage sicher überprüfen, ob das angegebene Rechenergebnis auch tatsächlich korrekt ist, müssen die Anfangs erfassten technischen Werte bekannt sein und auch der Berechnungsvorgang. Überprüfbarkeit ist ein wichtiger Grundsatz für ein faires rechtsstaatliches Verfahren.

Das Problem ist jedoch, dass einige Messgeräte bewusst die bei der Messung erfassten Rohdaten nur kurz und nicht dauerhaft speichern sondern lediglich daraus errechnete Zwischenergebnisse und das Endergebnis der Berechnung. Um diese Rohdaten geht es in der technischen Betrachtung.

Wo liegt das juristische Problem?

Juristisch stellt sich die Frage, ob auf einer wissenschaftlich nicht voll nachprüfbaren Grundlage behördliche Sanktionen begründet werden dürfen.

Die Hersteller erklären ihre Berechnungsergebnisse selbst als stets richtig; die staatliche Zulassung durch die PTB ist irgendwann einmal erfolgt. Im Massengeschäft legen die Bußgeldbehörden die ihnen aus den Geräten mitgeteilten Werte den Bußgeldbescheiden zugrunde. Was sollen Sie auch machen – sie können das Ganze ja auch nicht überprüfen.

Sachverständige konnten in der Vergangenheit mehrfach nachweisen, dass Blitzer falsch messen. Daher besteht die technische Möglichkeit, dass auch jede andere Messung falsch sein könnte. Wären die ursprünglich vorhandenen Rohmessdaten zu jeder Messung gespeichert vorhanden, könnten diese Zweifel wissenschaftlich-mathematisch ganz einfach bestätigt oder ausgeräumt werden.

Die Logik sagt: warum also nicht einfach die ohnehin erfassten Rohmessdaten dauerhaft speichern und mit dem Berechnungsvorgang zur Verfügung stellen? Warum nicht für Transparenz sorgen?

Ob Blitzer die Rohmessdaten dauerhaft speichern und die Behörden diese dann zur Verfügung stellen müssen, damit betroffene Autofahrer den angeblichen Geschwindigkeitswert überprüfen und Bußgeldbescheide angreifen können, ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat bislang mehrere Verfassungsbeschwerden nicht angenommen.

Die Oberverwaltungsgerichte und die Landesverfassungsgerichte sehen es bislang so, dass nur für die Fälle, in denen Rohmessdaten doch gespeichert wurden (Ausnahme) diese dem Verteidiger zur Verfügung gestellt werden müssen. In den Fällen, in welchen zunächst vorhandene Rohmessdaten dann nicht dauerhaft gespeichert wurden (Regelfall), soll es keine Verpflichtung geben, die verloren gegangenen Beweismittel (wieder) zu beschaffen. Es gäbe auch keine Verpflichtung, diese nicht überprüfbaren Berechnungsergebnisse nicht zu verwerten.

Die saarländischen Entscheidungen

Im Saarland sieht man dies anders. Der saarländische Verfassungsgerichtshof hat 2019 bereits entscheiden (Urt. v. 05.07.2019 Az. Lv 7/17), dass solche nicht überprüfbaren Berechnungsergebnisse nicht verwertet werden dürfen. Es sei den Betroffenen in diesen Fällen nicht möglich, sich effektiv zu verteidigen. Würde ein Urteil dennoch auf die Berechnungsergebnisse solcher Geräte gestützt, fehle es an einem fairen rechtsstaatlichen Verfahren. 

Diese Frage muss nun der Bundesgerichtshof (BGH) beantworten. Vor das saarländische Oberlandesgericht (OLG) ist nun ein Verfahren durch die Instanzen gekommen, welches eine Antwort benötigt. Denn das saarländische OLG ist an die Entscheidung des saarländischen Verfassungsgerichtshofs gebunden. Folgt es dieser, ist der angegriffene Bußgeldbescheid aufzuheben und das saarländische OLG stünde alleine mit einer abweichenden Entscheidung da. An diese Entscheidung müssten sich wiederum die Instanzgerichte im Saarland halten. Um zu verhindern, dass im Saarland künftig möglicherweise anders Recht gesprochen wird als überall sonst in Deutschland, hat das saarländische OLG dem BGH die Frage nun zur Entscheidung vorgelegt (Beschl. v. 14.04.2025, Az. 1 Ss (OWi) 112/24).

Die Stunde des BGH

Der BGH hat nun die für Gesamtdeutschland wichtige Frage einheitlich zu beantworten, ob Messergebnisse von Blitzern, die Rohmessdaten nicht dauerhaft speichern, im Verfahren verwertet werden dürfen. Dies für den (Regel-)Fall, wenn keine anderen Verteidigungsmittel zur Verfügung stehen und der Betroffene der Verwertung im Verfahren widerspricht.

Je nach Ausgang des Verfahrens müssen entweder viele Blitzer ausgetauscht werden oder das Gallien des Straßenverkehrs ist doch noch gefallen…