Was ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteil ist ein gesetzlich garantierter Mindestanteil am Erbe, den bestimmte nahe Angehörige auch dann erhalten, wenn sie durch ein Testament oder Erbvertrag vom Erblasser enterbt wurden. Ziel des Pflichtteilsrechts ist es, enge Familienangehörige vor vollständigem Ausschluss vom Nachlass zu schützen.
Wer ist pflichtteilsberechtigt?
Pflichtteilsberechtigt sind nach deutschem Erbrecht (§ 2303 BGB) folgende Personen:
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Abkömmlinge (Kinder, Enkel usw.)
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Ehegatte oder eingetragene Lebenspartnerin / Lebenspartner
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Eltern des Erblassers, sofern keine Abkömmlinge vorhanden sind
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Pflichtteilsberechtigt ist nur, wer gesetzlicher Erbe wäre, aber durch Verfügung von Todes wegen (z. B. Testament) enterbt wurde oder einen geringeren Anteil erhält als gesetzlich vorgesehen.
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Nicht pflichtteilsberechtigt sind z. B. Geschwister, Großeltern, Tanten, Onkel oder entfernte Verwandte.
Wie hoch ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, der der Person ohne Enterbung zugestanden hätte. Dabei handelt es sich um einen reinen Geldanspruch, nicht um einen Anteil am Nachlass/den einzelnen Nachlassgegenständen selbst.
Beispiel: Ein Kind wäre gesetzlicher Alleinerbe. Wird es enterbt, kann es 50 % des Nachlasswerts in Geld als Pflichtteil verlangen.
Wie wird der Pflichtteil berechnet?
Die Berechnung des Pflichtteils erfolgt in mehreren Schritten:
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Feststellung des gesetzlichen Erbteils
abhängig vom Verwandtschaftsverhältnis und anderen Erben -
Ermittlung des Nachlasswerts
Aktiva (z. B. Immobilien, Konten, Wertgegenstände)
abzüglich Passiva (z. B. Schulden, Beerdigungskosten) -
Berechnung des Pflichtteilsanspruchs
gesetzlicher Erbteil × 50 % × Nachlasswert
Wie macht man den Pflichtteil geltend?
Der Pflichtteilsanspruch muss gegenüber den Erben geltend gemacht werden – schriftlich und idealerweise mit anwaltlicher Unterstützung. Hierzu ist es erforderlich, zumindest einen der Erben konatktieren zu können. Für die notwendige Rechtssicherheit sollte die Geltandmachung schriftlich erfolgen.
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Die Erben sind verpflichtet, auf Verlangen Auskunft über den Nachlass zu erteilen und ggf. ein Nachlassverzeichnis vorzulegen (§ 2314 BGB).
Sonderfall: Pflichtteilsergänzungsanspruch
Hat der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen vorgenommen, kann ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung bestehen (§ 2325 BGB). Dabei wird geprüft, ob durch Schenkungen der Nachlass künstlich verringert wurde, um den Pflichtteil zu mindern.
Um dies auszugleichen, sieht das Gesetz vor, dass bestimmte Schenkungen bei der Berechnung des Pflichtteils fiktiv zum Nachlass hinzugerechnet werden.
Grundsätzlich werden unentgeltliche Zuwendungen des Erblassers berücksichtigt, z. B. Übertragungen von Immobilien ohne Gegenleistung, (größere) Geldgeschenke, Abtretung von Vermögenswerten, Lebensversicherungen mit Bezugsrecht für Dritte.
Nicht relevant sind z.B. Pflicht- und Anstandsschenkungen (z. B. Geburtstagsgeschenke), Schenkungen, die mehr als zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers gemacht wurden – hier gibt es jedoch Ausnahmen und Besonderheiten.

